Trevibrunnen


Fontana di Trevi – Der berühmteste unbekannte Baumeister
Januar 2009, Brief an Nicola Salvi, Baumeister des Trevibrunnens, von Rom ins Jenseits 

Lieber Nicola,
Ich habe ein bißchen Zeit und so setze ich mich auf einen Treppenabsatz vor deinen Brunnen. Ich denke, ich sollte dir einen Brief schreiben. Eigentlich längst überfällig. Ich beschäftige mich ja schon eine Weile mit deinem Bau. Allerdings muß ich zugeben, dass es keine Liebe auf den ersten Blick war. Als Architekturstudent an der Universität Stuttgart fand ich deinen Haufen aus weißem Travertin, wie es sich gehört, einfach nur kitschig. Pech für mich, dass ich bei einem Seminar über barocke Plätze zu spät zur Themenvergabe gekommen bin. Der einzige Platz den noch niemand bearbeiten wollte war der der Fontana di Trevi. Und so begann ich mich an das Monstrum anzunähern und festzustellen wieviel Herzblut du in diesen Bau gesteckt hast. Vor genau 275 Jahren hast du damit begonnen einen würdigen Abschluss für eine antike Wasserleitung zu schaffen, die seit nun über 2000 Jahren klares, kühles Nass aus den Sabiner Bergen in die Senke zwischen Quirinalshügel und Pincio in Rom plätschern lässt.

Der Feldherr Marcus Agrippa hat damals dort in den Bergen mit seinen Soldaten eine Rast eingelegt, bevor sie in die Hauptstadt hinunter steigen wollten. Sie waren auf dem Rückweg von der Schlacht bei Actium, hatten Kleopatra und Marc Anton besiegt und erwarteten nun einen Triumphzug. Da kam ein Bauernmädchen zu den Soldaten und machte einen erfrischenden Vorschlag. Sie zeigte den Männern eine Quelle, an der sie ihren Durst löschen konnten. Marcus Agrippa erinnerte sich an die Quelle als er später nicht weit vom heutigen Trevibrunnen die ersten großen öffentlichen Thermen Roms baute. Er ließ 19 v. Chr. die Quelle fassen und das Wasser in einem Aquädukt, der Aqua Virgo, das Wasser der Jungfrau, in die Stadt leiten. Besucher an der Fontana di Trevi

Du, Nicola, kanntest diese Legende natürlich. Du hast sie an der Fassade deines Brunnens dargestellt.Da die Wasserleitung komplett unterirdisch verläuft, wurde sie als einzige in den Gotenkriegen nicht zerstört und versorgte auch noch im tiefsten Mittelalter Rom mit dem lebenswichtigen Gut. Allerdings wurde der Aquädukt immer kürzer und endete schließlich am heutigen Platz.

Bernini versuchte sich 1640 erstmals an einem monumentalen Brunnen, doch er stellte nicht viel mehr als eine großzügige Viehtränke her. Schließlich lud Papst Clemens XII. zahlreiche Architekten zu einem Wettbewerb ein und vergab überraschend den Auftrag, an dich, den unbekanntesten der geladenen Herren. 1732 begannst du dein Lebenswerk. Ob Clemens die Auftragsvergabe an dich bereut hat, weiß ich nicht. Sicher war er wenig begeistert wie schleppend der Bau voran ging. Er wollte doch noch zu seinen Lebzeiten das Bauwerk, mit dem er sich auch selbst feiern wollte, fertig sehen. Verzweifelt hat er schließlich 1735 einfach den Brunnen eingeweiht, obwohl gerade soviel von der Fassade stand, dass er seine Inschrift anbringen konnte. Auch sein Nachfolger, Benedikt XIV., konnte kein Ende absehen. Und erst der dritte Papst, Clemens XIII. durfte abschließend sein Wappen auf die Fassade aufsetzen. Das ist eine gehörige Leistung, dass du drei Päpste bei der Stange gehalten hast und trotzdem in deinem Tempo weitergearbeitet hast. Kaum ein Architekt war je so penibel. Mit Verlaub, aber die Arbeiter auf der Baustelle müssen dich gehaßt haben. Manchen unscheinbaren Felsen hast du zehn mal neu hauen lassen, bevor du zufrieden warst. Du hast monatelang an der Oberfläche des Steins herum experimentiert, bis das leider nur spärlich fließende „Jungfräuliche Wasser“ den Effekt des Meeresrauschens von sich gab. Ja du hast akustische Architektur geschaffen. ich empfehle jedem sich von der Via dei Crociferi dem Brunnen zu nähern und vielleicht ein bißchen auf den Stufen der kleinen Kirche Santa Maria in Trivio zu verweilen und sich auf das Brausen der Meereswogen einzulassen, bevor man langsam um die Ecke biegt und das Bild dazu wahr nimmt. Die Fassade eines Palastes, dem eine Kopie des berühmten Konstantinbogens vorgesetzt ist. Im Bogen steht der riesige Meeresgott Okeanus und dirigiert überlegen seine Tritonen die auf den kleinen Platz zu stürmen. Unter sich eine wilde Felslandschaft die aus der Architektur herausbricht und an der rechten Seite das vom Menschen geschaffene Bauwerk bereits zum Zerbrechen bringt. Wie aktuell in unserer Zeit der Klimakatastrophe, wenn die schmelzenden Grönlandgletscher dies zur realistischen Zukunftsvision werden lassen.

Der langwierige Bauprozess lag sicher auch an deiner Krankheit, die es dir immer schwieriger machte, die Baustelle zu leiten. Am Ende konntest du nur noch von einer Sänfte aus Anweisungen geben. Ich denke heute würde man von Multiple Sklerose reden. Und doch hast du zwanzig Jahre lang den Bau des Brunnens durchgezogen und dich mit deiner Auffassung gegen alle Kritiker durchgesetzt. Lediglich deinen Okeanus ließ Clemens XIII. nach deinem Tod durch Pietro Bracci erneuern. Weniger bullig und stürmisch, etwas gefälliger.

Man könnte meinen, deine Detailversessenheit war heillos übertrieben. Doch ich denke der riesige Erfolg, den dein Brunnen hat, hat seinen Ursprung darin, dass eben alles stimmig ist. Zusammen mit Schloss Neuschwanstein und dem Taj Mahal in Indien gehört die Fontana di Trevi in die Erste Liga der am meisten fotografierten Bauwerke der Welt. Menschen fliegen heute um den halben Globus um eine Münze in diesen Brunnen zu werfen. Die wenigsten werden seine Geschichte kennen. Kaum einer versteht die lateinischen Inschriften. Und, was dich schmerzen wird, fast keiner der tausenden von Menschen, die täglich hier her pilgern, kennt deinen Namen. Viele der Stadtführer, die Touristengruppen hier her führen behaupten einfach Bernini hätte ihn entworfen, manche sogar Michelangelo sei es gewesen. Vielleicht tröstet es dich, dass vor Berninis Tritonenbrunnen keine Touristen stehen. Der ist einfach nur ein Hindernis im Berufsverkehr. Nein die Menschen wollen deinen Brunnen sehen. Leute von anderen Kontinenten, die für bloß eine Woche ihres Lebens den alten Kontinent besichtigen. Für diese wird das Europabild vor allem durch die Fontana di Trevi bestimmt sein. Und alle lassen sich fotografieren während sie eine Münze ins Wasser werfen. Eigentlich sagt ja die Legende man müsse einen Schluck aus dem Brunnen trinken um wieder nach Rom zurück zu kommen. Einen zweiten um sich in einen Römer oder eine Römerin zu verlieben und einen dritten, damit die Hochzeit sicher stattfindet. Doch 1954 wurde der Brauch durch den Film „Three Coins in the Fountain“ abgeändert. Die Caritas ist dankbar dafür, denn sie bekommt so einige hunderttausend Euro pro Jahr, die aus dem Becken gefischt werden. Einmal pro Woche wird das Wasser abgelassen und Arbeiter schaufeln das Geld in Säcke, während ihnen schon neue Münzen um die Ohren fliegen. Der Schatz des Brunnens wird dann unter Polizeischutz zur Bank gefahren.

Und dein Brunnen rauscht weiter, unbeeindruckt vom Lauf der Zeit. Als Napoleon über Rom herrschte, plante er einen Prachtboulevard durch das Häusermeer direkt auf in hin zu schlagen. Die vielen Fotografen könnten den Trevibrunnen heute ohne extremes Weitwinkelobjektiv verewigen. Doch die einzigartige Atmosphäre des Platzes wäre hinüber gewesen.

Was unzählige feindliche Heere in zwei Jahrtausenden nicht schafften, schaffte im Sommer 2007 ein Trupp Bauarbeiter im Stadtteil Parioli. Bei der Ausschachtung einer Garage gruben sie den alten Aquädukt der Aqua Virgo an. Schlimm genug, doch schlimmer, sie wollten ihren Fehler beheben, in dem sie kubikmeterweise Beton in das Loch kippten. Seither hat dein Brunnen seinen eigentlichen Zweck, Endpunkt der jungfräulichen Quelle zu sein, verloren. Er ist nicht mehr Zweck-, nur noch Zierbau. Über seine Felsen fließt nun normales Leitungswasser. Und um dies zu sparen läßt man es mittels einer Umwälzpumpe zwei Wochen zirkulieren, bevor es ersetzt wird. Dies machte auch erst den Farbanschlag möglich, den am 19. Oktober 2007 die Gruppe „Azione futurista 2007“ verübte um gegen den Starrummel des Filmfestes in Rom zu demonstrieren. Das Aqua Virgo hätte die Farbe sekundenschnell weggespült. Doch die Umwälzpumpe sorgte dafür, dass das Wasser lange genug gleichmäßig blutrot gefärbt war um zahllosen Fotografen ein überraschendes Motiv zu bieten. Keine Angst Nicola, es blieben keine Spuren.

Es ist schwer zu sagen, was dieses Bauwerk so populär macht. Ist es die Monumentalität? Die Dynamik der Figuren? Das Meeresrauschen auf einem kleinen intimen Altstadtplatz? Wahrscheinlich das Zusammenspiel von allem. Und nicht zu unterschätzen, die Rolle von Federico Fellini, der 1960 die üppige Anita Ekberg in den Brunnen steigen ließ und so eine Filmszene schuf, die im Gegensatz zu der schwedischen Schauspielerin, für immer unvergessen sein wird.

Die Menschen kümmern sich jedoch nicht um alte Geschichten. Sie lassen sich dabei fotografieren, wie sie eine Münze in den Brunnen werfen und sind glücklich dabei. Mehr Erfolg kann sich ein Architekt doch wohl nicht wünschen.

Stadtführung durch die Römischen Altstadt