Sant’Andrea delle Fratte


Ein Weib mit ungeheurem Talent

Angelika Kauffmann, Selbstporträt in Bregenzerwälder Tracht 1781, Landesmuseum InnsbruckDie meisten Touristen, die von der Fontana di Trevi zur Spanischen Treppe ziehen gehen an dieser Kirche achtlos vorbei. Doch man sollte zumindest einmal den Blick heben um das beeindruckende Ensemble von Sant’Andrea delle Fratte, dass sich über den Dächern Roms erhebt zu betrachten. Sant’Andrea delle Fratte gehört zu den alten mittelalterlichen Kirchen Roms. Doch gab der Marchese Paolo del Bufalo im 17. Jahrhundert einen barocken Neubau in Auftrag. 1653 bis 1667 erbaute Francesco Borromini das Querschiff neu und bekrönte die Kuppel mit einem Tambour der, wie er es so gerne tat, komplett gegen den Strich gebürstet wurde. Dieses Bauteil, das eigentlich nur die Aufgabe hat die Kuppel zu schließen und etwas Licht von oben in die Kirche zu lassen wird durch Borromini zum wichtigsten Teil der Kirche. Mit seinen Vor- und Rückschwüngen, den konkaven und konvexen Formen bringt er die Kirche zum rocken. Und alles ausgeführt im billigen Ziegel. Lediglich der kleine Glockenturm, der die Formideen nochmals aufnimmt, wurde in Marmor ausgeführt. Auf der Spitze stehen vier Voluten, die, als wären sie irgendwo übriggeblieben, von Borromini auf den Kopf gestellt arrangiert wurden.

Im Inneren treffen wir auf Borrominis Widersacher Gian Lorenzo Bernini, bzw. dessen Engel. Zwei der Engel, die eigentlich für die Engelsbrücke bestimmt waren, flankieren den Altar. Angeblich fand sie Papst Clemens IX. zu schön um sie dem Wetter auszusetzen. Doch wahrscheinlicher ist, dass er sie sich unter den Nagel reisen wollte und sie in seine Heimatstadt Pistoia abtransportieren lassen wollte. Nur durch seinen Tod blieben sie im nahen Palazzo Rospigliosi hängen und kamen schließlich in diese Kirche. Auf der Brücke stehen Kopien von Paolo Naldini.

Sant'Andrea delle Fratte, Berninis Engel

An einem Pfeiler am linken Seitenausgang erinnern zwei Grabtafeln an ein prominentes Ehepaar. Das obere Epitaph mit Porträt ist dem Maler Antonio Zucchi gewidmet. Doch eigentlich war er nur der Manager seiner viel bedeutenderen Frau Angelika Kauffmann, deren schlichte Grabplatte darunter hängt. Der lateinische Text besagt, dass sie würdig gewesen wäre im Pantheon bestattet zu werden, doch wollte sie bei ihrem Ehemann bleiben. Angelika Kauffmann wurde als Tochter des Malers Joseph Johann Kauffmann 1741 in Chur geboren, wo dieser gerade einen Auftrag am bischöflichen Schloss ausführte. Doch ihr Heimatort ist eigentlich Schwarzenberg im Bregenzerwald, dem Dorf, dem sie immer verbunden blieb. Dort schuf sie auch ihr erstes öffentliches Kunstwerk. Im zarten Alter von 15 Jahren malte sie die Fresken der 12 Apostel an die Seitenwand der Dorfkirche, während ihr Vater das Deckenfresko schuf. 1781, auf dem Weg von London nach Rom machte sie hier nochmals Station und malte das Altarbild. Es blieben ihre einzigen Werke auf österreichischem Boden. Trotzdem prangte ihr Bildnis auf dem letzten Hundert-Schilling-Schein vor Einführung des Euros.

Mit ihrem Vater bereiste sie halb Europa und ihr frühes Talent wurde honoriert. 1762 wurde sie in die Accademia Clementina in Bologna aufgenommen und drei Jahre später in Accademia di San Luca in Rom. Sie malte vor allem Porträts deutscher und englischer Italienreisender. Auf Empfehlung ihrer Kundin Lady Wentworth übersiedelten Tochter und Vater 1766 nach London. Sie lernte dort den Maler Joshua Reynolds kennen. Beide malten sich gegenseitig. Er blieb ihr Förderer obwohl sie seinen Heiratsantrag ablehnte. Dass sie stattdessen den schwedischen Grafen Frederick de Horn heiratete erwies sich als schwerwiegender Fehlgriff, den der Skandinavier verschwand kurze Zeit später mit dem Vermögen der Kauffmann. Doch ihre Karriere war unaufhaltsam. Angelika wurde Gründungsmitglied der Royal Academy und ihr zweiter Mann, der viel ältere Italiener Antonio Zucchi, diesmal vom Vater ausgewählt, erwies sich als bessere Partie. Er wurde nicht nur zu ihrer großen Liebe sondern auch zu ihrem Manager. Das Paar übersiedelte in die Via Sistina in Rom. Ihr Haus wurde schnell zum Treffpunkt der europäischen Künstler. Aber auch Adelige wie Anna Amalia von Sachsen-Weimar, selbst Kaiser Joseph II. waren dort zu Gast. Angelika Kauffmann fertigte zahllose Porträts in meist bemerkenswerter Lebendigkeit. Unter anderem saß die gesamte königliche Familie von Neapel Modell. Daneben malte sie Szenen aus der antiken Mythologie.

Pfarrkirche in Schwarzenberg, Vorarlberg  Pfarrkirche von Schwarzenberg, Vorarlberg, Apostel Mathäus, Angelika Kauffmann 1757  Sant'Andrea delle Fratte, Grab von Antonio Zucchi und Angelika Kauffmann

1787 war Goethe mehrmals Gast im Kauffmannschen Haus. Er schrieb etwas gönnerisch in seinem Reisetagebuch „Sie hat ein unglaubliches und als Weib wirklich ungeheures Talent.“ Doch das Bildnis, das sie von ihm malte mochte ihm trotzdem nicht gefallen. Er bemerkte: „Es ist immer ein hübscher Bursche, jedoch keine Spur von mir.“ Doch vielleicht war er einfach zu gut getroffen. Goethe als netter junger Mann und nicht als heroischer Dichterfürst wie er sich gerne sah. Tischbein tat ihm den Gefallen und malte ihn in dramatischer Pose an der Via Appia.

Stadtführung Auf den Spuren von Bernini und Borromini

Buchtipp

siehe auch Piazza di Spagna, Santa Trinità dei Monti,  Barcaccia-Brunnen

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Sant'Andrea delle Fratte, Glockenturm