Geschichte des Palazzo Madama

Wenn man italienischen Nachrichten anschaut, hört man fast täglich vom Palazzo Madama in Rom, denn hier tagt der italienische Senat. Da die Mehrheit der Koalition von Ministerpräsident Renzi hier viel fragiler ist als in der Abgeordnetenkammer, sind die Debatten spannender. Doch wer war diese Madame, die dem Palast in der römischen Altstadt den Namen gab?…

Palazzo Madama, Westfassade

Wenn man italienischen Nachrichten anschaut, hört man fast täglich vom Palazzo Madama in Rom, denn hier tagt der italienische Senat. Da die Mehrheit der Koalition von Ministerpräsident Renzi hier viel fragiler ist als in der Abgeordnetenkammer, sind die Debatten spannender. Doch wer war diese Madame, die dem Palast in der römischen Altstadt den Namen gab?

Margarethe von Österreich, Anthonis Mor, ca. 1562, Gemäldegalerie Berlin

Margarethe von Österreich – die Madama von Rom

Der Anfang der Geschichte führt uns nach Belgien. 1521 war Kaiser Karl V. auf dem Schloss des Barons de Montigny in Oudenaarde bei Brüssel zu Gast und hatte dort ein kurzes Verhältnis mit der Zofe Johanna van der Gheynst. Das Ergebnis war am 28. Juli 1522 die Geburt von Margarethe. Damit wäre die Geschichte normalerweise auch schon zu Ende gewesen, doch, ganz unüblich für diese Zeit, Karl erkannte die Frucht seiner Liebelei als seine Tochter an und sorgte für eine standesgemäße Erziehung in Brüssel. Er hatte das Mädchen zur Figur im diplomatischen Spiel der Mächte erkoren. Sie sollte zu einer Verbesserung deines Verhältnisses mit den italienischen Staaten sorgen, daher suchte der Vater auf dem Stiefel nach einem adligen Bräutigam für die Tochter. Sie wurde 1529 mit Alessandro de’Medici, damals 25 Jahre alt, verlobt, den sie mit gerade 13 Jahren heiratete und ihm nach Florenz folgte. Doch bereits ein halbes Jahr später wurde sie nach einer Auseinandersetzung ihres Mannes mit dessen Vetter zur Witwe. Margarethe wurde zum Enkel von Papst Paul III., dem 14jährigen Ottavio Farnese, nach Rom weitergereicht. Mit dem kindlichen Gatten konnte sie wenig anfangen und blieb ihm auch künftig in herzlicher Abneigung verbunden. Nur mit massivem Druck von Kaiser und Papst konnte Margarethe zu einem Eheleben gedrängt werden, was schließlich 1545 zur Geburt von Zwillingen führte, von denen nur der Sohn Alessandro überlebte. Doch Margarethe war nicht das Leben einer braven Familienmutter bestimmt.

Ihr Halbbruder Philipp, der seinem Vater als König von Spanien nachgefolgt war ernannte Margarethe 1559 zur Statthalterin der Spanischen Niederlande, die in etwa den heutigen Beneluxstaaten entsprachen. Eine schwierige Regierung. Margarethe musste die Balance zwischen den Forderungen ihres Bruders, der das Land in einen katholischen Zentralstaat verwandeln wollte und den selbstbewussten Handelsstädten Flanderns und Hollands halten. Philipps hartes Vorgehen gegen clavinistische Prediger führte schließlich zum Aufstand, den Goethe in seinem Schauspiel Egmont verarbeitete. Als Philipp schließlich den Herzog von Alba mit 15000 spanischen Soldaten in die Niederlande schickte, kam dies einer Entmachtung seiner Schwester gleich, die zu viel Verständnis gegenüber den Forderungen der Niederlande zeigte. Margarethe bat um ihre Ablösung und reiste am 30. Dezember 1567 aus Brüssel Richtung Italien ab. Nach einer Stippvisite bei ihrem Mann, der inzwischen Herzog von Parma geworden war, zog sie nach Rom in den Palast, der noch aus dem Erbe ihres ersten Mannes stammte. Sie hatte sich damals bei den Erbstreitigkeiten gegen Caterina de’Medici durchgesetzt, die die Immobilie zwar übernahm, aber Margarethe die Nutzung auf Lebenszeit überließ.

Plan der Thermen des Alexander Severus von Rodolfo Lanciani, 1893

Die Thermen des Nero

Der Palazzo Madama steht im Südwesteck des Gebiets, das einst von den Thermen des Nero eingenommen wurde. 62 n.Chr. erbaut und unter Kaiser Severus Alexander 227 n.Chr. umgebaut und vielleicht auch vergrößert, waren dies die ersten großen Thermen mit symmetrischem Grundriss. Im Mittelalter müssen von ihnen noch beachtliche Ruinen gestanden haben, die der Abtei Farfa in der Sabina gehörten. Die Thermen werden in verschiedenen Beschreibungen erwähnt. In dieser Ruinenlandschaft wurden Gärten angelegt und Behausungen eingebaut. 998 werden der Abtei Farfa der Besitz mehrerer Kirchen und Hospize in diesem Gebiet bestätigt, Santa Maria, San Benedetto und San Salvatore, die alle den Namenszusatz „in thermis“ trugen und vermutlich in Räume der Thermen eingebaut waren. Leider besteht heute keine der Kirchen mehr. Von den Thermen sind nur noch vier Säulen übriggeblieben. Zwei stehen heute in der Via di Sant’Eustachio, die anderen zwei wurden von Borromini ins Pantheon eingebaut, als Ersatz für die verschwundenen Säulen in der Nordostecke der Vorhalle. 1478 verkaufte die Abtei Farfa ihren Besitz im Gebiet der Thermen an die französische Krone, die hier ihre Nationalkirche San Luigi errichtete. Heute berühmt für die Matthäusbilder von Caravaggio.

San Salvatore in Thermis im Südwesteck der Thermen, Lancianiplan

San Salvatore in Thermis

Das kleine Kirchlein San Salvatore, von den Römern wegen seiner Dimension auch San Salvatorello genannt blieb in französischem Besitz, obwohl es nach und nach vom Palazzo Madama umbaut wurde. Es soll der Legende nach bereits von Papst Silvester im 4. Jahrhundert gegründet worden sein. Wahrscheinlicher ist jedoch das es im 6. Jahrhundert entstand, da zur Zeit von Silvester in den Thermen noch reger Badebetrieb war. Vermutlich wurde es in einen Nebenraum der Thermen, vielleicht in einen Umkleideraum, eingebaut. San Salvatore war keine Pfarrkirche, sondern nur ein Oratorium, dass zu San Luigi dei Francesi gehörte. Nach 1903 wurde die Kirche für die Erweiterung des Senats abgerissen. In der Via del Salvatore, deren Name noch an sie erinnert sah man noch lange das bescheidene Kirchenportal (siehe unten) in der Fassade des Senatgebäudes. Nach dem Abbruch des Gotteshauses wurden die Kunstwerke der Kirche nach San Luigi übertragen.

Palazzo Madama in der Ansicht Roms. Antonio Tempesta, 1593

Palazzo Madama

Das Grundstück rund um San Salvatore kaufte Ende des 15. Jahrhunderts der Schatzmeister von Papst Sixtus, Sinolfo di Castel Ottieri, um hier seine Residenz zu errichten. Dieser übertrug die Immobilie an seinen Bruder Guidone, Graf von Montorio, damit sie nach seinem Tod nicht an die Apostolische Kammer zurückfiel. 1505 erwarb diese Kardinal Giovanni de’Medici, der spätere Papst Leo X. Er ließ sie von Giuliano da Sangallo, der später Bauleiter des Petersdoms wurde, zu einem standesgemäßen Palast ausbauen. Er brachte darin unter anderem die berühmte Bibliothek seines Vaters Lorenzo il Magnifico unter und schmückte ihn mit vielen antiken Statuen. Der Palast hatte fünf große Fenster zur Straßenseite und einen unsymmetrischen Aufbau, wie wir auf der Romansicht (1593) von Antonio Tempesta sehen (siehe oben). 1642 ließ Ferdinando II. Medici, Großherzog der Toskana den Palast vom Architekten Paolo Marucelli renovieren. Die Fassade, die wir heute am Corso del Rinascimento sehen stammt auch von ihm. Das Innere stattete Romano Monanni mit Stuckdecken aus. Marucelli entwarf eine herrschaftliche Fassade mit drei Geschossen und reich verzierten Fensterrahmen. Im Fries unter dem Dachgesims spielen zahlreiche Putten.

Violante von Bayern

Die letzte Medici, die den Palazzo Madama bewohnte war eine bayerische Prinzessin. Violante Beatrix von Wittelsbach heiratete 1688 Ferdinando de’Medici, den Erbprinzen der Toskana. Nach dem ihr Gatte, bevor er von seinem Vater die Herzogswürde übernehmen konnte, starb, wurde sie Gouverneurin von Siena. Auf sie gehen die Regeln des weltbekannten Pferderennens, dem Palio, zurück. Violante konnte, nach dem sie vermutlich von ihrem Mann mit Syphilis angesteckt wurde, keine Kinder bekommen. Nach dem auch der einzige Bruder Ferdinandos kinderlos starb, endete so der Stammbaum der Medici. Ihr Besitz und damit auch der Palazzo Madama fielen nun tatsächlich an die Habsburger.

Der italienische Senat

Bereits 1755 erwarb jedoch Papst Benedikt XIV. das Anwesen um den Sitz des Gouverneurs des Kirchenstaats, weitere Büros und sogar ein Gefängnis dort unterzubringen. 1851 eröffnete schließlich ein Postamt im altehrwürdigen Gemäuer. Als zwanzig Jahre später Rom zur Hauptstadt des Königreichs Italien wurde ging man auf die Suche nach Unterkünften für den neuen Staat. Der Palazzo Madama bot sich nach dem Umbau zum päpstlichen Gericht für den Senat, vergleichbar dem Bundes- oder Ständerat, an. Der zweite Hof wurde für den Parlamentssaal geschlossen. Die erste Sitzung fand darin bereits am 28. November 1871 statt.

Auch wenn immer wieder über einen modernen Neubau des Senats außerhalb der Altstadt gesprochen wurde und obwohl Matteo Renzi den Senat, sowohl an Köpfen wie an Kompetenzen gewaltig abspecken will, wird man wohl auch in Zukunft hier tagen. Trotz der vielen verschiedenen Bewohner blieb der Name der vornehmen, aber auch herrischen Madame Margarethe, Tochter einer flämischen Zofe an ihm kleben.

Quellen: Homepage des Senats, Deutsche Biographie, Margarethe von Österreich, San Salvatore in Thermis auf der Homepage des Senats, Francesco Sabatini: La Chiesa di San Salvatore in Thermis, romanoimpero.com zu den Thermen des Nero

Palazzo Madama. Stich von Giuseppe Vasi, 1754
Tür von San Salvatore in Thermis im Palazzo Madama, Via del Salvatore

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