Schildkrötenbrunnen


Schildkrötenbrunnen

Die Fontana delle Tartarughe auf der Piazza Mattei in Rom

Tartarughe 004Wenn man an einem schönen lauen Abend durch die römische Altstadt wandert, kann es passieren, dass man plötzlich auf einen kleinen Platz mit einem ganz außergewöhnlichen Brunnen trifft. Es ist die Fontana delle Tartarughe, der Schildkrötenbrunnen, der eine eigenartige Faszination ausübt. Der römischen Stadtverwaltung ist es gelungen die Piazza Mattei weitgehend von Autos zu befreien. Auch Läden oder Kneipen gibt es kaum. Nur die Bar Tartuga stellt abends ein paar Stühle vor die Tür. Und so kann man mit einem guten Rotwein in der Hand sich ganz auf das Rauschen des Brunnens einlassen.

Die dunklen Bronzeskulpturen von vier Jünglingen spiegeln das matte Licht der Straßenlaternen. Die jungen Männer stellen jeweils einen Fuß grazil auf einen Delphin und strecken sich unnatürlich affektiert zur oberen Brunnenschale um je eine Schildkröte zum Trinken über den Brunnenrand zu schieben. Ich denke es ist diese Mischung aus Akustik, dem Rauschen, der Reflexion des Lichts und der eigenartigen Thematik, der ungewöhnliche Symbiose der pubertierenden Knaben und der plumpen Reptilien die den Besucher des Platzes gefangen nimmt.




Der Brunnen war Teil einesWasserversorgungsprogramms im 16. Jahrhundert. Papst Sixtus IV. hatte den antiken Aquädukt der Acqua Vergine restaurieren lassen und beauftragte Giacomo della Porta, den Architekten der gerade die Kuppel des Petersdoms fertiggestellt hatte, mit dem Bau von 18 Brunnen um die Bewohner der Altstadt mit frischem Wasser zu versorgen. Bisher hatten sich die Römer im Wesentlichen mit dem schlammigen Wasser des Tiber versorgt. Nun sollten sie wieder wie in der Antike das saubere Wasser aus den Sabiner Bergen trinken. Ein riesiger Fortschritt und mindestens so bedeutend wie die Kuppel über dem Vatikan. Della Porta hatte eigentlich einen Brunnen auf dem Markt des Judenghettos vorgesehen, doch der Graf Mattei wollte unbedingt diese prestigeträchtige Einrichtung vor seiner Haustür haben. Er wird sich die Verlegung des Brunnens einiges gekosten haben lassen. Außerdem verpflichtete er sich zu dessen Pflege und Unterhaltung. Dafür entwarf Giacomo della Porta in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Taddeo Landini eine Pyramide aus Figuren. Da sich jedoch herausstellte, dass der Wasserdruck für die geplante Höhe zu niedrige war, verzichtete della Porta auf die oberen vier Delphine. Und so griffen die Jünglinge nach oben ins Leere. Die schon gegossenen Tiere verwendete er für seine Fontana della Terrina, dem eigenartige suppentopfförmigen Brunnen, der vom Campo de’Fiori vor die Chiesa Nuova versetzt wurde. Leider verschwanden dabei die Delfine spurlos.

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Doch erst im folgenden Jahrhundert kam ein Bildhauer auf die Idee den Brunnen zu ergänzen. Wir wissen nicht wer die Restaurierung 1658 leitete. Vielleicht tatsächlich der große Bernini. Bernini war bekannt für seinen Humor und seine Ironie. Und er verwendete Tiere, die nicht zum klassischen Repertoire für Bildhauer gehörten. An der Piazza Barberini ließ er Bienen aus einer Muschel trinken. Den Obelisk, den er in der Nähe des Dominikanerkollegs aufstellen sollte, wollte er mit Hunden schmücken. Als Interpretation des Wortes Dominikaner als domini canae, „Kettenhunde des Herren“. Soweit durfte er nicht gehen, Aber er setzte den Obelisk schließlich auf den Rücken eines verschmitzten Elefanten. Es kann gut sein, dass er auf die Idee mit den Schildkröten kam.


Eigentlich unerhört auf eine ernsthafte alte Skulptur vier Panzerechsen zu setzen. Das ist vergleichbar mit dem Aufmalen von Schnurrbärten auf die Gesichter von Wahlplakaten. Darf man so etwas? Heute ist man einig. Ironie hat in der Architektur nichts zu suchen. Schon gar nicht im Umgang mit historischen Bauwerken. Beim Wettbewerb für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses hatte kein Teilnehmer eine Chance, der mit der barocken Fassade zu spielen begann und ungewohnte Blickweisen suchte. Der Gewinner darf das Schloss in unverrückbarer Ernsthaftigkeit wieder erstellen. Man wünscht sich, dass es doch jemand gelingt heimlich eine Schildkröte daran zu kleben.

Auf der Piazza Mattei ist es gelungen. Wer immer die Schildkröten zufügte, er gab der Bewegung der Jünglinge einen Sinn und dem Brunnen einen Namen. Die plumpen Tiere verleihen dem ganzen Ensemble eine unverhoffte Leichtigkeit.

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