Laokoon – der Priester aus Troja

Die Auffindung der Laokoongruppe. Wie jedes Jahr begann Felice de Fredis, sein Vorname bedeutet der Glückliche, seinen Weinberg am Abhang oberhalb des Kolosseums für das Frühjahr vorzubereiten. Er pflügte, jätete Unkraut und entfernte Steine, die er auf einen Haufen am Rand des Grundstücks warf. Doch einige Steine ließen sich nicht so leicht entfernen, er grub…

Die Auffindung der Laokoongruppe.

Wie jedes Jahr begann Felice de Fredis, sein Vorname bedeutet der Glückliche, seinen Weinberg am Abhang oberhalb des Kolosseums für das Frühjahr vorzubereiten. Er pflügte, jätete Unkraut und entfernte Steine, die er auf einen Haufen am Rand des Grundstücks warf. Doch einige Steine ließen sich nicht so leicht entfernen, er grub tiefer und stellte fest, dass sie zu einem Gewölbe gehörten. De Fredis Neugier war geweckt. Wahrscheinlich mit der Hilfe von Nachbarn schaffte er es schließlich das Gewölbe zu durchbrechen und die Männer blickten staunend in einen Raum mit glänzendem Marmorboden. Darauf stand eine Skulpturengruppe verschlungener nackter Männer. Am 14. Januar 1506 hatte Felice de Fredis die Laokoongruppe gefunden und das sollte sein Leben ändern.

Der Fund sprach sich rasend schnell herum und man holte Giuliano da Sangallo, den Architekten des Papstes. Da er Michelangelo gerade zu Besuch hatte, nahm er diesen gleich mit. Die zwei Künstler wussten sofort um was es sich bei dem Fund handelte. Francesco da Sangallo, der Sohn Giulianos erinnerte sich nach 60 Jahren in seinen Memoiren, dass sein Vater ausrief: „Das ist der Laokoon von Plinius!“

Jeder gebildete Römer kannte die Schrift Historia Naturalis von Plinius dem Älteren, der 79 n. Chr. beim Vulkanausbruch des Vesuvs starb. Plinius hatte die Statue im Palast von Kaiser Titus gesehen, beschrieben und in den höchsten Tönen gelobt. Sie sei allen anderen Kunstwerken vorzuziehen.

Grabstein des Felice de Fredis in Santa Maria in Aracoeli

Der Papst kauft die Skulptur

Michelangelo beschwor Papst Julius II. das Kunstwerk um jeden Preis an sich zu bringen und nachdem die Bedeutung des Fundes längst allen in Rom klar war, war der Preis hoch. Der Finder de Fredis schlug die ihm angebotenen 600 Gold-Scudi, für einen Weinbauern ein unvorstellbares Vermögen, aus. Er lenkte erst ein, als der Papst auf 1500 Golddukaten erhöhte und dazu ihm und seinem Sohn die Einkünfte des Zolls an der Porta Asinaria auf Lebzeiten garantierte. Der Kaufvertrag, der der Familie in Zukunft Wohlstand sicherte, wurde bereits am 23. März desselben Jahres unterschrieben. Als Zugabe gab es noch eine Grabstätte in der Kirche auf dem Kapitol, Santa Maria in Aracoeli. Dort können wir heute noch die Grabplatte de Fredis vorne im linken Seitenschiff bewundern. Die Inschrift berichtet von diesem quasi Lottogewinn. Von Laokoon, dem unglücklichen, trojanischen Priester, der dem armen, römischen Weinbauern so viel Glück brachte.

Laokoon, Detail

Tod des Laookon

Laookon war laut dem Dichters Vergil ein Priester des Apollo in Troja. Als die Griechen, die Troja 10 Jahre erfolglos belagerten, das hölzerne Pferd mit den darin versteckten Kriegern am Strand zurück ließen, war er einer der wenigen, die dem vermeintlichen Geschenk mistrauten. Er schleuderte sogar einen Speer gegen das Holztier und hätte die Griechen um ein Haar entdeckt. „Zu knapp.“ sagte sich Athene die Schutzgöttin der Griechen, und schickte zwei Schlangen um Laokoon nebst Söhnen am Strand zu erwürgen. Die Diskussion um das Pferd nutzte Äneas um mit einem Teil der Trojaner zu fliehen. Nach einer abenteuerlichen Irrfahrt auf dem Mittelmeer landete der Held schließlich an der Küste Latiums und gründete Lavinium, die Mutterstadt Roms. Im Tod des Laokoon sahen die Römer also quasi den Gründungsakt ihrer Stadt. Äneas galt auch als Stammvater der Julier, der Familie der u.a. Cäsar und Augustus angehörten. Daher ist anzunehmen, dass Augustus der Auftraggeber für die Skulptur war. Plinius sah sie im Palast von Kaiser Titus, der der Familie der Flavier angehörte. Sein Palast befand sich zurzeit als Plinius dort weilte in einem Teil der Domus Aurea, dem Goldenen Haus Neros. Trajan ließ dieses schließlich mit seinen Thermen überbauen. Wie die Laokoongruppe dorthin gelangte wissen wir nicht, ist von der räumlichen Nähe her aber plausibel. Das Gewölbe in dem sie gefunden wurde war ein kleiner Nebenraum. Es ist anzunehmen, dass sie dorthin in Sicherheit gebracht wurde. Vielleicht bei der Plünderung Roms durch die Westgoten 410 n.Chr. Zu diesem Zeitpunkt war das Kunstwerk wahrscheinlich schon nicht mehr vollständig. Es fehlten Arme und Teile der Schlangen.

Der von Ludwig Pollak wiedergefundene Arm Laokoons

Pollak findet den Ellenbogen

Wie in der Renaissance üblich versuchte man die Skulptur wieder zu vervollständigen. Michelangelo fertigte selbst einen neuen Arm für den trojanischen Priester an, der jedoch nie zum Einsatz kam. Es war schließlich Giovanni Angelo Montorsoli der die Marmorskulptur ergänzte. So wie er es sich vorstellte. Denn die Geschichte des Laokoonarms ist noch nicht zu Ende.

Fast 400 Jahre nach dem Fund stöberte der Archäologe und Kunsthändler Ludwig Pollak in der Werkstatt eines Steinmetzes und fand einen etwas mitgenommenen Ellenbogen aus Marmor. Pollak der die Laokoongruppe gut kannte kam gleich auf die Idee, dass dieses Körperteil dazu gehören könnte. Und tatsächlich, bei der Probe vor Ort stellte sich heraus, er hatte den verschollenen Arm des Laokoon gefunden. Allerdings dauerte es noch einmal ein halbes Jahrhundert, bis die Verwaltung des Vatikanischen Museum sich durchringen konnte dem Priester seinen Arm wieder zu geben. Dabei verändert die Armhaltung die Skulptur durchaus auch inhaltlich. Während der Arm von Montorsoli die Schlange kraftvoll nach oben stemmt und den Kampf noch unentschieden hält, knickt der Original arm im wahrsten Sinne ein. Der Kampf ist verloren.

Porträt Ludwig Pollaks von Werner F. Fritz, Museo Barracco, Rom.

Ludwig Pollak, jüdischer Österreicher, in Prag geboren, wurde am 16. Oktober 1943 mit über 1000 anderen Juden in Rom von den Deutschen verhaftet. Es gab Versuche ihn von einflussreichen Freunden im Vatikan zu befreien. Doch aus Solidarität mit seinem Volk bestieg, schlug er das Angebot zum katholischen Glauben überzutreten aus. Er wurde wahrscheinlich gleich bei der Ankunft in Auschwitz ermordet. Sein umfangreicher Nachlass befindet sich im Museo Barracco, dessen Ehrenkurator er war. Es war ihm nicht vergönnt den von ihm gefundenen Arm am Laokoon zu sehen.

Quellen: Vatikanische Museen, Goethe-Institut über Ludwig Pollak, „Laocoonte: alle origini dei Musei Vaticani„, Francesco Buranelli u.a., 2006, Arachne, Spiegelartikel über die Verhaftung der Juden Roms am 16. Oktober 1943.

Die Laokoongruppe im Cortile Ottagono des Vatikanischen Museums
Laokoongruppe mit von Giovanni Angelo Montorsoli im 16. Jhd. ergänzten Teilen
Laokoongruppe, heutiger Zustand

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