
Am 30. August 2018 ereignete sich ein tragisches Unglück: Der Dachstuhl der Kirche San Giuseppe dei Falegnami stürzte ein und zerstörte dabei eine der schönsten barocken Holzdecken Roms.
San Giuseppe dei Falegnami
Am Donnerstagnachmittag, dem 30. August 2018, schaute die römische Bürgermeisterin Virginia Raggi entsetzt aus ihrem Fenster. Gerade ist direkt unter ihrem Büro der komplette Dachstuhl einer barocken Kirche eingestürzt. Die Kirche San Giuseppe dei Falegnami hat keine eigene Kirchengemeinde, ist aber für Hochzeiten sehr beliebt. Zum Glück war die Kirche zum Zeitpunkt des Unglücks geschlossen und niemand kam zu Schaden. Zwei Tage später hätte der Einsturz eine Hochzeitsgesellschaft mit 150 Personen betreffen können. Die Ursache des Einsturzes ist bislang unbekannt.

Erst 2014 war die Kirche von Grund auf saniert worden und auch 2016, nach dem Erdbeben im Apennin, gehörte sie zu den Gebäuden deren Stabilität untersucht wurde. Ohne Befund. Möglicherweise war es jedoch zu aufwändig die Aufhängung der barocken Holzdecke zu untersuchen, denn dafür hätte man diese abnehmen müssen.
Dieses Kunstwerk ist nun zerstört und künstlerisch der größte Verlust.
San Giuseppe dei Falegnami war die Zunftkirche der Schreiner (ital. Falegnami) und Zimmerleute. Doch die Geschichte des Ortes am Abhang des Kapitols, am Forum Romanum, reicht viel weiter in die Vergangenheit zurück.

Carcer Tullianum – das Staatsgefängnis Roms
Tief unter der Kirche befindet sich der Carcer Tullianum, der der Legende nach vom römischen König Servius Tullius im 6. Jahrhundert v.Chr. erbaut und nach ihm benannt wurde. Unter den Arkaden im Sockelbereich der Kirche sieht man noch den antiken Eingang mit einer Inschrift, die die Konsuln des Jahres 40 n.Chr. Gaius Vibius Rufinus und Marcus Cocceius Nerva nennt. Heute tritt man durch eine seitliche Tür ein und erreicht die Kapelle des Kruzifixes mit dem namensgebenden Kunstwerk aus dem 14. Jhd., dass einst über dem antiken Eingang angebracht war.

Darunter befindet sich ein trapezförmiger Raum mit Mauern aus Tuffblöcken, der aus dem 2. Jhd. v.Chr. stammt. Von hier erreichte man die nicht erhaltenen weiteren Räume des Gefängnisses, die in den Abhang des Kapitols gegraben waren. Die sogenannten Lautumiae, wörtlich Steingruben. Einen Stock tiefer befindet sich das eigentliche Tullianum, das ursprünglich nur durch ein Loch in der Decke erreichbar war. Ein rundes Gewölbe, dessen Steinblöcke ohne Mörtel übereinander gefügt sind, und das daher viel älter sein muss. Mit Beklemmung kann man sich vorstellen, dass dies ein Ort ohne Wiederkehr war. Die Gefangenen wurden hier erdrosselt und durch ein weiteres Loch im Boden direkt in den antiken Abwasserkanal, die Cloaca Maxima entsorgt. Wir wissen von einigen prominenten Gefangenen, so Jugurtha, numidischer König, der 104 v.Chr. hier starb und Vercingetorix, Anführer der Gallier im Krieg gegen Julius Cäsar.
Martyrium der Apostel Petrus und Paulus
Spätestens im 4. Jahrhundert kam die Legende auf, dass auch Petrus, später auch Paulus, hier schmachteten, auch wenn das sehr unwahrscheinlich ist. Trotzdem kann man noch heute einen Steinblock mit einer Delle sehen, die entstanden sein soll, als Petrus, gestoßen durch Gefängniswärter, sich hier den Kopf anschlug. Petrus ließ der Überlieferung zufolge eine Quelle entspringen, aus der bis heute Wasser rinnt. Damit taufte er seine Wärter Processus und Martinianus, die ihm darauf zur Flucht verhalfen. Petrus wurde jedoch durch die Erscheinung Christi an der Via Appia zur Umkehr bewegt und schließlich, wie auch auf dem Altarbild im Tullianum dargestellt, gekreuzigt.
Möglicherweise ließ bereits Papst Silvester Anfang des 4. Jahrhunderts hier ein Oratorium für Petrus einrichten, was allerdings mit der Tatsache kollidiert, dass spätestens 368 n.Chr. das Gefängnis noch in Betrieb war. Sicher gehörte San Pietro in Carcere jedoch unter dem Pontifikat von Gregor III (731 – 741) zu den wichtigsten christlichen Andachtsstätten am Forum Romanum. Wieso der Kerker im Mittelalter in Carcer Mamertinus umbenannt wurde, ist unbekannt.

Bau der Kirche
Die 1540 in Rom gegründete Zunft der Schreiner und Schlosser traf sich anfangs in eben diesem alten Gefängnisraum und es lag nahe, dass die Handwerker bald über den Bau einer richtigen Kirche nachdachten, der 1546 begann. Bereits 1597 wurde eine Umgestaltung begonnen, die auf einen kompletten Neubau hinauslief. Der Patron der Zimmerer und Schreiner, der Ziehvater Jesu, Joseph, wurde natürlich auch zum Patron der Kirche. Ab 1602 bis zu seinem Tod 1621 wurde der Bau von dem Mailänder Architekten Giovanni Battista Montano geleitet, der selbst seine Karriere als Schreiner und Bildschnitzer begonnen hatte. Bekannt wurde er jedoch vor allem durch eine Serie von Zeichnungen antiker römischer Monumente und Versuchen diese zeichnerisch zu rekonstruieren. So versuchte er sich zum Beispiel an der Rekonstruktion des sogenannten Tempels der Vesta in Tivoli. Auch wenn er damit wohl falsch lag, so inspiierte er möglicherweise Borromini für den Bau seines Kirchleins San Carlino.
Die Kirche San Giuseppe dei Falegnami wurde übrigens erst 1663 fertig.

Die Holzdecke
Das Meisterstück Montanos ist die vergoldete Holzdecke in San Giuseppe dei Falegnami. Ein raffiniertes und bis ins Detail ausgearbeitetes Kunstwerk, das um das Jahr 1614 herum entstand. Von ihm stammt der Entwurf und mit Sicherheit das zentrale Relief, dass die Geburt Jesu im Stall in Bethlehem darstellt.
Die Darstellung von Joseph mit dem Kind und der Apostel Petrus und Paulus an den Schmalseiten stammt von dem Flamen Melchior van Boon. Ob sich die Decke, die zu den schönsten in Rom zählt, aus den Trümmern wiederherstellen lässt, ist noch nicht absehbar.
Weitere Kunstwerke konnten unversehrt geborgen werden, darunter das Altarbild „Anbetung der Hirten“ von Carlo Maratta.
Quellen: Archäologischer Führer von Filippo Coarelli; Topography of Ancient Rome; Armellini, le Chiese di Roma, p 539 -540; Roma Today, EugenioRusso, 01.09.2018; Homepage von San Giuseppe dei Falegnami mit Berichten über die Rekonstruktion


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